Das Thema Hausübungen ist Thema bei vielen Eltern-Lehrerinnen-Gesprächen und Elternabenden. Hier findet ihr ein paar Tipps aus meinen Erfahrungen als Mama, aber natürlich auch aus meiner Lehrerinnensicht auf dieses Thema. Ich bin mir über die Individualität eurer Familien, Nachmittagsgestaltungen und vor allem eurer Kinder bewusst, weswegen jeder selbst seine Handhabung mit Hausübungen festlegen muss. Löst das Thema HÜ allerdings Fragen und vl. sogar etwas Unbehagen bei euch aus, kannst du euren Umgang mit den folgenden Tipps eventuell auf neue Schiene bringen. Nimm dir was du brauchst ...
Übungszeit zuhause - muss das wirklich sein?
Wir haben vieles ausprobiert: vollkommen selbstbestimmte Hausübung, keine Hausübung, zeitlich begrenzte Hausübung, Hausübungswochenplan... wir sind eine Halbtagsschule und heute wissen wir, dass es bei uns und für unser Schulkonzept wichtig ist, dass eure Kinder auch zuhause am Nachmittag nochmal eine kurze Zeit für Übungen zu bestimmten Lernzielen aus Mathematik und Deutsch und vor allem auch für ein Lesetraining einplanen. Durch diese Wiederholung kommen die Kinder mit ihren Lernplänen effektiver und schneller voran.
Wie passt natürliches Lernen und Übung zusammen?
Klare Abgrenzung: Wir sind bemüht euren Kindern viele Impulse zu bieten und ihnen täglich freie und selbstbestimmte Lernzeit in einem offenen Lernsetting zu ermöglichen, damit natürliches und entdeckendes Lernen stattfinden kann. Vor allem in der Freiarbeitszeit aber auch im Sachunterricht ist das Interesse und die Fragen der Kinder Auslöser für ein Projekt/für einen Prozess, bei dem sich die Kinder auf natürliche Weise Wissen erschließen. Das ist unser täglich Brot im Schulalltag und wir lieben es.
Es gibt aber auch Lernziele/Lernbereiche die eine Übungszeit/Wiederholungen verlangen, bevor das Kind dauerhaft darauf zugreifen kann. In der Mathematik sind das hier vor allem Rechenroutinen wie Kopf rechnen, Halbieren, Malrechnungen... und auch der Schreiblernprozess benötigt vor allem am Anfang Übung. Der Vormittag ist da einfach zu kurz und uns auch zu wertvoll um ihn mit mehreren Übungszeiten zu füllen.
Wir lieben LESEN und das Lesen ist gerade an unserer Schule wichtig, da die Kinder ab der 2. Schulstufe in den Lernbüros mit Plänen zu tun haben, die sie selbstständig erlesen müssen. Die Lesezeit in der Schule ist leider nicht ausreichend, um eine Lesekompetenz zu entwickeln, bei der man von einem "automatisierten" Leseprozess sprechen kann. Wir brauchen hier wirklich Elternunterstützung. Denn ein Lesetraining am Anfang bedeutet, dass das Kind jemandem laut vorliest und es dabei begleitet wird. Der Leselernprozess verläuft auf Kompetenzstufen und nach einer bestimmten Stufe ist das laute Vorlesen nicht mehr nötig. Dann bedeutet Lesebegleitung, dass dem Kind Literatur zur Verfügung steht, die es interessiert und die es von sich aus, aus innerer Motivation heraus, lesen will UND: dass wir Erwachsenen Raum und Lesezeit im Alltag unserer Kinder, unserer Familien schaffen. Beim Zeit Einteilen und beim Tag und Woche Strukturieren, braucht ein Kind während der gesamten Volksschulzeit eure Unterstützung. Das schaffen sie auch lt. der Erkenntnissen der Hirnforschung erst mit ungefähr 10 Jahren - wenn abstraktes Denken möglich ist.
Wer bestimmt?
Mitbestimmen ist hier wichtig (zB. aus zwei Möglichkeiten wählen - vor oder nach dem Rausgehen), überlegt gemeinsam, wann in eurem Nachmittag Zeit für Hausübung ist. Für manche Kinder passt es wirklich gut gleich nach dem Mittagessen, für viele passt es allerdings erst nach einer Mittagsruhe gut und wieder andere können erst am späteren Nachmittag, nachdem sie vielleicht längere Zeit draußen waren, wieder konzentriert an einem Lernbereich aus Mathematik oder Deutsch üben.
Die Zeiteinteilung an sich müsst ihr Erwachsenen treffen. Ihr müsst Zeit für Hausübung am Nachmittag schaffen/Zeiträume schaffen – nach 17/18 Uhr erweisen sich Hausübungen fast immer als kontraproduktiv (fast schädlich für die Lernmotivation und leider meist auch für eure Eltern-Kind-Beziehung;) anstatt förderlich für euer Kind zu sein.
Daneben sitzen ist nicht gleich Begleitung!
Eure Kinder sollten eigentlich wissen was zu tun ist, wie die Übung funktioniert, weil wir Übungen in der Schule vorbesprechen. In den ersten beiden Jahren müsst ihr euer Kind wahrscheinlich dennoch beim Beginnen begleiten (Bedürfnisse zuerst stillen, Platz herrichten, Zeit festlegen zB. Timer stellen, Vereinbarungen und klare Worte mit Geschwisterkindern treffen/sprechen, Ruhe schaffen, ev. auch nochmal durchbesprechen und verbalisieren wozu es nach der HÜ Zeit ist. Transparenz und Klarheit – vor allem bezüglich Zeit – hilft den Kleinen extrem. Die Übung selbst sollten sie nach einer Hilfe am Beginn eigentlich selber schaffen. Falls mal etwas dabei ist, was sie nicht allein schaffen, am besten wieder einpacken und dafür ein längeres Lesetraining machen : ).
Noch ein Tipp, wenn euer Kind will, dass ihr neben ihm sitzt oder euch einfach ständig etwas fragt/eine Erklärung von euch braucht um voran zu kommen: 1. Beantwortet die Fragen: "Wie geht das?", "Was muss ich da tun?" etc. nicht sofort mit einer Antwort, sondern mit der Gegenfrage: "Was weißt du da nicht?", das hilft extrem und bringt euer Kind zurück in die Eigenverantwortung. Wenn euer Kind keine Fragen hat und euch dennoch neben sich sitzen haben will, kann es auch sein, dass es einfach eure Nähe braucht, dieses Bedürfnis müsst ihr aber nicht unbedingt während der HÜ-Zeit stillen - da gibt es bessere Möglichkeiten ; ). Stoppt die HÜ und macht vorher noch etwas Anderes gemeinsam oder ihr vereinbart für später, nach den 20 min, eine wertvolle Eltern-Kind Zeit mit einer Freizeitbeschäftigung.
Wie lange soll mein Kind sich am Nachmittag mit "Üben" beschäftigen?
Meistens nehmen sich die Kinder selbst etwas für zuhause mit, können sich aber nicht wirklich gut einschätzen. In der Schule läuft das dann so ab:
Kind steht vor der Schultasche und sagt: "Das mach ich zuhause, und das nehme ich mir auch nicht mit. Und kann ich das auch noch machen?...", dabei stecken sie Bücher und Übungsblätter in ihre Schultaschen. Zuhause sieht die Motivation dann natürlich ganz anders aus.
Deswegen gilt bei uns an der Schule eine zeitlich begrenzte Hausübung am Nachmittag (darum anfangs die Bedürfnisse stillen ; ) - siehe oben: vorher aufs Klo gehen, Wasser trinken, Nase putzen etc.):
1. Schulstufe: max. 20 min + 10 min lesen
2. Schulstufe: max. 30 min + 10 min lesen
3. und 4. Schulstufe: max. 45 min und mind. 15 min lesen
Und noch etwas, auch bei noch so guter Planung und Begleitung "kracht" es am Nachmittag immer wieder mal zwischen Eltern und Kind. Meist zeigen sich eure Kinder zufrieden am Vormittag und erfreuen sich am Schulleben, dennoch ist es anstrengend in einer großen Gruppe zu sein, die Gefühle anderer zu spüren und mitzuerleben - alle Erlebnisse müssen verarbeitet werden. Am besten im Schlaf - deswegen auf ausreichend Schlaf achten - aber oft schaffen sie es nicht so lange und lassen bei der ersten Begegnung am Nachmittag all das raus, was sich am Vormittag über angestaut hat (auch wenn es sie nicht persönlich betroffen hat). Und das geht nun mal am besten bei Mama oder Papa, wo man sich sicher fühlt und weiß, dass die einen auch lieben, wenn man sich mal nicht so toll benimmt ; ) und von einer anderen Seite zeigt.
In diesem Sinn viel Energie und alles Liebe für eure Nachmittage mit euren zauberhaften Kindern : ), eure Carina